Kultivierung des Qi durch Übung von
Haltung, Atmung, Bewegung und Konzentration
Einleitung
Die Übungen dieses Bereichs sind allgemein als Qi Gong bekannt. Obwohl
auch die Techniken der vorigen Kapitel genaugenommen Qi Gong (also Übung
des Qi) darstellen, so mißt man doch Qi-Übungen, bei denen
die Elemente Haltung, Atmung, Bewegung und Konzentration miteinander kombiniert
werden eine ganz besondere Bedeutung bei.
Durch die Techniken in dieser Übungsreihe werden verschiedene Effekte
erzielt:
- Regulation
und Stärkung von Qi
- Freier Fluß von Qi
- Allgemeine Steigerung des Wohlbefindens
- Harmonisierung von Atmung und Bewegung
- Psychische Entspannung
- Anregung
von Durchblutung, Entgiftung und Regeneration
- Verbesserung der Körperwahrnehmung
- Steigerung des Verständnis´von
Qi
Das Erlernen von Qi Gong Übungen ohne
Lehrer ist nicht ganz leicht. Deshalb werden in dieser Übungsreihe
zunächst relativ einfache Übungen beschrieben, die allerdings
bereits von hohem Wert für die Verbesserung der Qi Funktionen des
Übenden sind.
Übung#1 Der Drache trinkt
Zielstellung: Bei dieser Qi-Übung geht es darum, einen Effekt
zu erzielen, der mit dem Absenken des Körperschwerpunkts zusammenhängt
und den Qi Gong Meister "Gefühl der Fülle im unteren Körperbereich"
nennen. Außerdem geht es darum, den Geist zu klären (klarer
Kopf) und eine Empfindung von Stärke im ganzen Körper zu entwickeln.
Lenden, Beine, Knie und Füße werden gestärkt. Die Übung
wirkt Störungen wie z.B. Unruhe, Reizbarkeit, Kopfschmerz und Schlaflosigkeit
entgegen. Der gesamte Bereich der Lendenwirbelsäule wird mobilisert.
Selbstverständlich trainiert das Stehen in der Reiterstellung (Ma
Bu) den festen, stabilen Stand und besitzt deshalb große Bedeutung
für das gute Stehen im Kampf.
Ausführung: Man begibt sich in die Reiterstellung (Ma Bu), die
Füße werden dabei ungefähr in doppelter Schulterbreite
(ca. 4 Fußlängen) parallel abgesetzt. Die Hände werden
von oben auf die Oberschenkel in Knienähe gelegt, Finger an der Beininnenseite,
Daumen an der Beinaußenseite. Der Rücken wird gerade gehalten,
der Oberkörper leicht vorgebeugt. Die Oberschenkel befinden sich
in Parallel-Position zum Boden, die Knie dürfen nicht mehr als maximal
eine Faustbreite innerhalb der Fußlinie positioniert werden.
In der Phase der Einatmung wird der Oberkörper nach vorn in Richtung
linkes Knie geführt, dann bogenförmig weiter in Richtung rechtes
Knie und vorn dort nach oben in die Mittelstellung (Ausgangsstellung).
In der Phase der Ausatmung erfolgt die Bewegung des Oberkörpers in
entgegengesetzter Richtung. Dies wiederholt man 10 mal und pausiert anschließend.
Danach wird der Zyklus wiederholt, allerdings beginnt man jetzt in der
Phase der Einatmung mit der Oberkörperbewegung in Richtung rechtes
Knie, dann bogenförmig weiter in Richtung linkes Knie und vorn dort
nach oben in die Mittelstellung (Ausgangsstellung). In der Phase der Ausatmung
erfolgt die Bewegung des Oberkörpers jetzt wieder in entgegengesetzter
Richtung, also zunächst zum linken Knie, dann bogenförmig nach
rechts und von dort wieder nach oben. Dies wiederholt man ebenfalls 10
mal.
Besondere Aspekte: Grundsätzlich ist bei allen Qi Gong Übungen
Hektik, Hast und Überanstrengung zu vermeiden. Alles soll weich und
fließend ablaufen. Falls die Wiederholungszahl als zu hoch empfunden
wird, sollte man sie am Anfang reduzieren. Beim Auftauchen von Schmerzen
oder Beschwerden sollte die Übung unterbrochen werden. Immer sollte
der Atem die Bewegung führen, nicht umgekehrt.
Die Atmung darf nicht zu stark forciert werden, eine Beeinflussung (Verlängerung)
sollte grundsätzlich nur in der Ausatemphase erfolgen. Anfangs ist
die Kombination von Atmung und Bewegung nicht allzu wichtig, denn es geht
zunächst darum, ein gutes Gefühl für Haltung und Bewegung
zu entwickeln.
Während der Übungsausführung ist auf die Stabilität
der Stellung zu achten. Der gesamte Unterbau soll ruhig, wenn auch nicht
total bewegungslos gehalten werden. Die Bewegung sollte anfangs nicht
zu kraftvoll ausgeführt werden, langsame Gewöhnung und Erhöhung
der Intensität sind sehr wichtig.
Schwierigkeitsgrad: Die Übung ist nicht schwierig, verfügt
allerdings über verschiedene Level des Anspruchs. Mit fortschreitender
Meisterung der Übung kann das Bewahren des Qi im Dantian und das
Lenken des Qi zum Yongquan geübt werden. Die hier dargestellte Ausführung
ist für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet.
Übung#2 Den Himmel anheben
Zielstellung: Diese Übung regt den Qi-Fluß an, in dem
sie aufsteigende und absinkende Bewegungen verbindet. Sie stärkt
den Rücken, die Wirbelsäule, die Schultern und verbessert die
Haltung.
Die Übung verbessert den Allgemeinzustand, vitalisiert und klärt
den Geist.
Ausführung: Die Ausgangsstellung ist aufrecht und entspannt,
die Füße sind geschlossen, die Arme werden nach unten gestreckt
vor dem Körper gehalten, die Hände werden im Gelenk so gestreckt,
daß die Handrücken nach oben weisen, die Fingerspitzen der
Hände weisen nach innen und berühren einander leicht.
In der Phase der Einatmung werden die Arme bogenförmig nach vorn
und dann nach oben gehoben, dabei bleiben die Hände in zueinander
unveränderter Position. Der Blick folgt den steigenden Händen.
In der Phase der Ausatmung sinken die Arme, bis sie seitlich am Körper
hängen und man senkt auch den Blick nach vorn. Dann erfolgt ein neuer
Zyklus, das Ganze 10 mal wiederholen.
Besondere Aspekte: Alle Bewegungen sollen weich, fließend
ohne Beschwerden oder Schmerzen ablaufen. Falls die Wiederholungszahl
als zu hoch empfunden wird, sollte man sie am Anfang reduzieren. Der Atem
führt die Bewegung. Die Atmung darf nicht zu stark forciert werden,
eine Beeinflussung (Verlängerung) sollte grundsätzlich nur in
der Ausatemphase erfolgen.
Während der Übungsausführung ist auf die gerade Streckung
des Rückens zu achten. Die Bewegung sollte anfangs nicht zu kraftvoll
ausgeführt werden, langsame Gewöhnung und Erhöhung der
Intensität sind sehr wichtig.
Der Blick ist bei dieser Übung sehr wichtig, beim Nachobenschauen,
die Wirbelsäule nicht zu stark überstrecken. Beim Armheben die
Schultern gesenkt lassen, keinesfalls die Schultern zu den Ohren ziehen.
Schwierigkeitsgrad: Die Übung ist nicht schwierig. Die hier dargestellte
Ausführung ist für Anfänger, Fortgeschrittene und Meister
geeignet.
Übung#3 Den Mond tragen
Zielstellung: Bei dieser Übung geht es darum, den Qi-Strom
durch den ganzen Körper zu aktivieren. Die Übung wirkt wie eine
Dusche, die Geist und Körper "durchspült". Negative
Emotionen und Empfindungen werden "abgespült", der Geist
klärt und beruhigt sich, auch werden Rücken und Schultern gekräftigt,
die Aufrichtung der Wirbeläule verbessert sich.
Ausführung: Die Ausgangsstellung ist der aufrechte, entspannte
Stand mit geschlossenen Füßen. Die Arme hängen an den
Seiten, der Geist ist klar und ruhig. Aus dieser Position heraus erfolgt
bei leichter Ausatmung die Vorbeuge, soweit dies ohne Schmerzen oder Beschwerden
möglich ist, die Arme hängen dann vor dem Körper herab.
Das Kinn wird in Richtung Sternum gezogen, Arme und Beine bleiben gestreckt.
Dabei nicht atmen.
Die Phase der Einatmung besteht aus einer Aufrichtung des Körpers,
die Arme werden bogenförmig vor dem Körper angehoben, bis die
Hände sich über dem Kopf befinden. Dort formen die Hände
mit beiden Daumen und Zeigefingern den "Mond".
Die darauf folgende Phase des Atmenanhaltens besteht aus einer leichten
Rückbeugung des Oberkörpers und dauert etwas 2 bis 5 Sekunden.
In der nächsten Phase der Ausatmung wird der Körper wieder in
eine aufrechte Haltung gebracht, dabei sinken die gestreckten Arme seitlich
nach unten.
In die Ausgangsstellung zurückgekehrt verharrt man einige Zeit (ca
eine Minute) und beginnt dann den Zyklus von vorn. 10mal wiederholen.
Besondere Aspekte: Die bereits oben gegebenen allgemeinen Hinweise
gelten auch hier. Insbesondere Übertreibungen, die das Zurückbeugen
im Kreuzbereich und das Überstrecken im Nacken betreffen, sollten
vermieden werden. Die Übung kann dadurch bereichert werden, daß
man während der Ausführung den Strom von Energie im Körper
visualisiert:
Während sich der Körper in Vorbeuge befindet, stellt man sich
das Fließen von Qi vom Beckenboden über die Wirbelsäule
zum Scheitel vor. Später in der Ausatemphase, beim Sinken der Arme
stellt man sich vor, wie das Qi vom Scheitel herab den Körper durchströmt.
Man kann sich das Herabströmen der Lebensenergie wie eine Dusche
denken, die von unangenehmen Empfinden, Gedanken, Sorgen etc. befreit
und auf diese Weise Platz macht für das Auftanken mit frischer Energie.
Schwierigkeitsgrad: Die Übung ist nicht schwierig. Die hier dargestellte
Ausführung ist für Anfänger, Fortgeschrittene und Meister
geeignet.
Übung#4 Der grüne Drache dreht seinen
Körper
Zielstellung: Diese Qi-Übung dient dem Kämpfer zur Erarbeitung
einer kraftvollen Rumpfrotation und wird deshalb besonders in Stilen geschätzt,
deren technisches Arsenal eine Vielzahl von Wendungen beinhaltet.
Die Übung löst stagnierendes Qi hauptsächlich im Bereich
des Rumpfes, regt die Qi-Zirkulation an und erhöht auf besondere
Weise die Effizienz der Rumpfdrehung.
Ausführung: Die Ausgangsstellung besteht im aufrechten Stand,
die Füße werden etwas weniger als schulterbreit nahezu parallel
positioniert. Die Arme befinden sich vor dem Körper, formen einen
Ring, so als umarme man einen Baum. Die Handflächen weisen nach innen,
in Richtung des Herzens. Man beginnt mit einer Einatmung und nimmt dabei
das Qi-Strahlen der Hände auf.
In der Phase der Ausatmung dreht man den Rumpf in einer langsamen, sanften
und flüssigen Bewegung linksherum, als wolle man hinter sich schauen,
ohne die Position der Füße zu verändern. Während
der Drehung wendet man die Hände so, daß die Handflächen
schließlich nach außen weisen. Beide Daumen und Zeigefinger
"formen einen Mond". Am Ende der Bewegung verharrt man kurz.
Einatmend kehrt man in die Ausgangsstellung zurück, dabei wendet
man erneut die Hände, so daß die Handflächen wieder in
Herzrichtung weisen.
Anschließend erfolgt die gleiche Ausführung zur rechten Seite.
Diesen Zyklus wiederholt man 10mal.
Besondere Aspekte: Das Rotieren des Körpers stellt für
alle Übenden mit Rückenproblemen eine nicht zu unterschätzende
Belastung dar. Hier ist es dringend erforderlich, auf den eigenen Körper
zu achten und jede Überanstrengung zu vermeiden.
Wie bei allen Übungen im Kung Fu gilt es, die Übungsintensität
nur langsam, Schritt für Schritt, zu steigern.
Schwierigkeitsgrad: Die Übung ist nicht schwierig. Die hier
dargestellte Ausführung ist für Anfänger, Fortgeschrittene
und Meister geeignet.
Fortsetzung folgt
Kung Fu - Übungen
|