Interview mit Mirko Lorenz,
Lehrer des Taiji Zentrums Berlin
KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten
Sie?
M. Lorenz: Ich unterrichte in Wilmersdorf, Zehlendorf und Potsdam.
KFSB: Welchen Stil unterrichten Sie,
und wie würden Sie diesen Stil charakterisieren?
M. Lorenz: Ich unterrichte traditionelles Chen Taijiquan nach Richtlinien
der WCTAG. Das Chen Taijiquan ist eine alte Bewegungskunst, die ihren
Ursprung im China des siebzehnten Jahrhunderts hat. Sie dient der Lebenspflege,
der Gesundheit und der ganzheitlichen Entwicklung von Körper und
Geist.
Es verbindet Bewegungen der Selbstverteidigung
und der Energieführung und gilt deshalb als innere Kampfkunst. Charakteristisch
für den Chen-Stil ist das Wechselspiel von weichen spiralförmigen
Bewegung und Explosinsbewegungen.
KFSB: Welche Voraussetzungen sollte
ein Schüler der bei Ihnen beginnen möchte mitbringen?
M. Lorenz: Schön wäre, wenn er Wachstum & Vollkommenheit
anstreben würde. Aber jeder der im Hobbysektor Taijiquan kennenlernen
möchte, ist natürlich genauso willkommen.
KFSB: Wie verläuft die Ausbildung an Ihrer Schule?
M. Lorenz: Den Ausbildungsrahmen stellt die WCTAG und die Ausbildung
findet dann in meinem Unterricht statt. Nach zwei Jahren kann eine Prüfung
zum Übungsleiter abgelegt werden und nach vier Jahren folgt der Kursleiter.
Danach ist man berechtigt das Erlernte zu unterrichten. Desweiteren gibt
es eine Lehrer und eine Ausbilderprüfung.
KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft
das Training?
M. Lorenz: Normalerweise 1,5-2 Stunden. Wenn ich im privaten Rahmen
fortgeschrittene Schüler unterrichte, kann es auch mal 3-4 h werden.
Desweiteren bieten wir regelmäßig Wochenendworkshops an, welche
sich dann auf 3 h pro Tag belaufen.
KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
M. Lorenz: Der normale Schüler hat die Möglichkeit 4x
pro Woche zu trainieren. Zusätzlich gibt es immer noch Unterricht
im engen Kreis. Dafür muß aber die Basis schon stimmen.
KFSB: Spielen in Ihrem Unterricht andere traditionelle Elemente/
Künste wie z.B. Löwentanz eine Rolle?
M. Lorenz: So etwas wie Löwentanz gibt es bei uns nicht. Als
traditionell würde ich meine persönliche Art des Unterrichts
betrachten , welche sehr stark von meinem Aufenthalt in China geprägt
wurden ist. Es geht mir in erster Linie um die Entwicklung von Gongfu
bei den einzelnen Schülern.
KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
M. Lorenz: Die Form ist neben der Stehenden Säule und den
Seidenweberübungen eine der Hauptpunkte, um gutes Taijiquan zu erlernen.
KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
M. Lorenz: Für den Anfänger sind Fußschläge
nicht so wichtig. Der erste Schritt ist den Anfänger erstmal über
die Beine Wurzeln schlagen zu lassen , einen stabilen Stand zu bekommen
und mit der Erde verbunden zu sein.
Wenn jemand in den Beinen "zu hause" ist, verlieren oftmals
so manche Beintechniken ihre Wirkung. Danach werden selbstverständlich
Tritte und Beintechniken beim genauen betrachten der Form mehr und mehr
zum Vorschein kommen.
KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
M. Lorenz: Für Fortgeschrittene ist er als Realitätstest
unerlässlich. Durch das Training der Form und den anderen Basisübungen
entwickelt der Schüler sein Gongfu, welches er im Freikampf dann
realen
Kräften aussetzt.
KFSB: Wird bei Ihnen auf SV-Anwendungen eingegangen?
M. Lorenz: Im Pushhandstraining wird immer wieder sehr anwendungsorientiert
gearbeitet. Es gehört dazu, die Anwendungsmöglichkeiten aus
der Form auch zu verstehen und von innen heraus umzusetzen.
Aber es ist meiner Meinung nach wichtig, die ersten Jahre eher am Öffnen,
verwurzeln und zentrieren des Körper zu arbeiten anstatt Sv-Techniken
zu üben. Der Anfänger muß einen durchlässigen und
in sich verbundenen Körper aufbauen. Wir müssen am Anfang ins
verlieren , ins Loslassen investieren nicht in das Gewinnen eines Zweikampfes.
Um schnell Kämpfen zu lernen ist Taijiquan meiner Meinung nach nicht
geeignet. Längerfristig ist es ganz klar eine Kampfkunst mit allen
dazu gehörigen Facetten.
KFSB: Spielt Akrobatik im Unterricht eine Rolle, muß man
sehr fit und beweglich sein?
M. Lorenz: Beweglichkeit und Vitalität kommt durch korrektes
Training.
KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
M. Lorenz: Wir haben ein internes Pushhandstreffen.
KFSB: Gibt es ein Angebot für Kinder?
M. Lorenz: Im Moment nicht.
KFSB: Werden Waffentechniken unterrichtet?
M. Lorenz: Traditionell gehört bei uns Stock/ Speer, Hellebarde,
Schwert, Säbel zur Ausbildung dazu. Desweiteren kann man noch Kurzstock,
Doppelschwert und Doppelsäbel lernen.
KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
M. Lorenz: Wie haben eine dreistufige Sitzmeditation im Programm,
die dem Schüler von einem Zentrumsgefühl am Anfang bis zu höheren
Leveln der Meditation alles bietet. Für mich persönlich ist
die geistige Übung im Taiji-Training für eine Persönlichkeitsentwicklung
unerläßlich.
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