Interview mit Ronald Schmude,
Laoshi der WuYi-Akademie Berlin
KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten
Sie?
R. Schmude: Unsere Akademie befindet sich sehr zentral in Berlin,
nur drei S-Bahnstationen vom Alexanderplatz entfernt, in der Nähe
der Warschauer Brücke, im Bezirk Friedrichshain.
Schriftzeichen "Wu Yi"
KFSB: Welchen Stil unterrichten Sie,
und wie würden Sie diesen Stil charakterisieren?
R. Schmude: In der WuYi-Akademie haben wir das Unterrichtsangebot
in verschiedene Hauptsegmente eingeteilt. Wir bieten das Segment der traditionelle
chinesische Kampfkunst (unter WuYi zusammengefasst), das Segment Taijiquan,
das Segment Qigong und das Segment Yoga an.
Schriftzeichen "Tai Ji Quan" und "Qi Gong"
In dem Segment WuYi werden traditionelle
nordchinesische Stile unterrichtet. Der Ausbildungsschwerpunkt liegt dabei
auf dem Chaquan (Cha - Familienfaust). Ab fortgeschrittener Mittelstufe
des Ausbildungssystems in der WuYi-Akademie können zusätzlich
zu der Hauptausbildung im Chaquan weitere Stile erlernt werden, um das
Können und Wissen in den chinesischen Kampfkünsten zu erweitern.
Schriftzeichen "Cha Quan" und "Hua
Quan"
Mit unserem Ausbildungssystem folgen wir dem
alten Leitsatz aus chinesischen Kampfkunstkreisen, dem viele der bedeutendsten
chinesischen Großmeister ihr Leben lang treu geblieben sind: "
lerne viele Techniken und Stile von verschiedenen Meistern
."
Es werden folgende Stile zusätzlich angeboten: Huaquan (Boxen der
drei edlen Schätze oder auch China-Faust), das Piguaquan (Axtschlag-Boxen)
und das Fanziquan (schnell rotierende Faust).
Schriftzeichen "Pigua Quan" und
"Fanzi Quan"
Für wettkampfinteressierte Schüler
bieten wir außerdem noch die Möglichkeit an, verschiedene modernere
Faust- und Waffenformen aus dem Changquan (Langfaust) Yingzhaoquan (Adlerfaust),
Tongbeiquan (Schlagen aus dem Rücken), Ditangquan (Bodenfaust), Zuiquan
(betrunkene Faust) und Shaolinquan (Shaolinfaust) zu erlernen.
Schriftzeichen "Chang Quan" und "Tong Bei Quan"
Schriftzeichen "Zui Quan" und "Shaolin Quan"
Im Laufe der Zeit adaptierten das Chaquan, sowie die meisten traditionellen
Stile auch, Techniken und Formen aus anderen Stilen um den Stil noch weiter
zu vervollkommnen. Im Chaquan findet man diese in den zusätzlichen
Formen der Boxkunst als Huaquan, Paoquan, Hongquan und Tuiquan.
Viele berühmte Kampfkunstmeister und
Volkshelden der Vergangenheit und Gegenwart waren und sind Meister dieses
Stils. Hier einige Beispiele: Großmeister Wang Ziping, Großmeister
Chang Zhenfang, Zhang Wenguang (9.Duan), He Fusheng (9.Duan), Pang Lintai
(8.Duan). Viele der gegenwärtigen Meister des Chaquan zählen
zu den höchstgraduierten Meistern der Chinesischen Wushu Assoziation.
In der WuYi-Akademie wird die Zhang-Schule
des Chaquan unterrichtet. Das Chaquan-System besteht aus der Grundschule,
der Boxkunst, welche die zehn ursprünglichen Formen des Chaquan,
das Tantui, das Huaquan, das Hongquan, das Paoquan und verschiedene Partnerformen
beinhaltet, dem Sparring mit Schutzausrüstung, dem Freikampf und
der Selbstverteidigung.
Schriftzeichen "Tantui"
Außerdem werden verschieden Waffen wie
der Säbel (Dao), das Schwert (Jian), der Speer (Qiang), der Stock
(Gun), die kleine Hellebarde (Pu Dao), die große Hellebarde (Da
Dao) und die Doppelhakenschwerter (Shuang Gao ) und Doppelsäbel (Shuang
Dao) sowie das Kurzwaffensparring für fortgeschrittene Schüler
unterrichtet.
Schriftzeichen "Dao", "Jian",
"Gun"
Das Chaquan beinhaltet viele unterschiedliche
Tritte und Sprungtritte, kraftvolle Schläge und Stöße,
sowie Hebel, Würfe und Stöße mit Kopf, Schulter oder Hüfte.
Die Formen des Chaquan sind recht anspruchvoll, da sie oft aus vielen
Bewegungen bestehen und einige von ihnen sehr lang sind.
Das Chaquan benutzt hauptsächlich eine
starke und harte Kraft. Charakteristisch für den Stil ist außerdem,
dass Härte und Weichheit einander abwechseln, und hohe Stellungen,
tiefe Stellungen, Sprünge, Tritte und Sprungtritte in kurzen Bewegungsfolgen
ineinander übergehen.
Das Huaquan zählt ebenfalls, wie das
Chaquan zu den traditionellen Langfauststilen. Es stammt ebenfalls aus
Shandong. Es unterscheidet sich jedoch sehr deutlich vom Chaquan. Das
Huaquan verfügt ebenfalls über eine klare Struktur, ist jedoch
im Gegensatz zum Chaquan weicher und fließender.
Trotz der schnellen, fließenden und
energetischen Ausführung der Techniken müssen die Stände
stabil und die Techniken präzise ausgeführt werden. Im Huaquan
wird außerdem auf die verstärkte Nutzung des Qi in den Techniken
großen Wert gelegt.
Es beinhaltet ebenfalls Tritte, Schläge,
Stöße, Würfe und Hebel. Die Formen des Huaquan sind ebenfalls
sehr anspruchsvoll, da auch sie sehr lang sind und eine Menge Techniken
und Tricks beinhalten.
Bei den anderen beiden Stilen, die in der
WuYi-Akademie unterrichtet werden, handelt es sich um das Piguaquan und
das Fanziquan, wie es von der bekannten Ma-Familie aus Xian, Shaanxi Provinz,
praktiziert wird.
Die Ma-Familie ist eine der bekanntesten Kampfkunst-
familien in China und berühmt für ihr hohes Können im Fanziquan,
Piguaquan, Bajiquan, Tongbeiquan und Tanglangquan, aber auch für
ihr Können im Kurz- und Langwaffenkampf.
Das Piguaquan ist ein traditioneller Stil
aus Nordchina. Das Piguaquan benutzt viele kraftvolle Schwung und Schlagtechniken
der Arme, kombiniert mit harten Fauststößen und Schlägen
und einer sehr beweglichen Körpertechnik. Es gibt einige Tritttechniken
und nur sehr wenig Sprünge.
Das Hauptaugenmerk liegt auf den öffnenden
und schließenden Arm- und Körperbewegungen und den hackenden
und hakenden Armtechniken. Die Formen des Piguaquan sind von mittlerer
Länge, stellen jedoch einen hohen Anspruch an die koordinativen Fähigkeiten
des Übenden.
Sie trainieren sehr stark die Körperkraft,
die Beweglichkeit der Arme und des Körpers und die abrupten Wechsel
zwischen festen Ständen und schnellen Schritten. Das Piguaquan ist
ein sehr offensiver Stil der schnelle harte Angriffe bevorzugt und trotzdem
sehr elegant und ästhetisch ist.
Das Fanziquan ist ein sehr alter Stil, der
früher unter dem Namen Bashanfan bekannt war. Die Haupttechniken
des Fanziquan konzentrieren sich auf den Kampf auf kurze oder mittlere
Distanz. Das Hauptaugenmerk liegt auf Faust- und Handtechniken, die in
sehr schneller Folge auf den Gegner "abgeschossen" werden, aus
allen nur erdenklichen Winkeln und Richtungen.
Die Formen sind kurz und gradlinig. Tritte
spielen nur eine untergeordnete Rolle als Folgetechnik. Das Fanziquan
kann man als sehr offensiv und hart bezeichnen. Blöcke gibt es nur
wenige, viel mehr nutzt man eine agile Körpertechnik um dem gegnerischen
Angriffen auszuweichen und gleichzeitig zu Kontern. Die Formen des Fanziquan
trainieren vor allem Explosivität, Ausdauer und sehr stark koordinative
Fähigkeiten in Bezug auf Schläge und Körpertechnik.
Im Segment Taijiquan verfolgen wir eine individuelle
Unterrichtsmethode, die jedem Schüler die Möglichkeit gibt sich
in seinem individuellen Tempo zu entwickeln. Es beinhaltet Unterrichtselemente
wie allgemeinen Körperwahrnehmung, Körperhaltung, Atemtechnik,
Schwerpunktverlagerung und Schwerpunktkontrolle im Stand und in der Bewegung.
Dann werden Basistechniken wie Schritte, Hüft-
und Körperbewegung sowie Formen trainiert. Die Formen entsprechen
dem Ausbildungssystem der IWUF (Internationale Wushu Federation), welches
speziell für die Verbreitung des Taijiquan und den Bedürfnissen
der westlichen Welt angepasst sind. Das bedeutet, dass sich die Formen
von einfachen kurzen Formen zu immer komplexeren und schwierigeren Bewegungsabläufen
steigern.
Den Anfang macht die Form mit 8 Bewegungen
(Bashi Taijiquan), gefolgt von der Form mit 16 Bewegungen (Shiliushi Taijiquan)
und 24 Bewegungen (Ershisishi Taijiquan). Diese Formen basieren ausschließlich
auf dem Yang-Stil des Taijiquan und bilden somit die Anfängerstufe.
In der Mittelstufe geht es dann weiter mit
der Form mit 32 Bewegungen (Sanshiershi Taijiquan) und dem Training des
Taiji-Schwert (Taijijian) welches sich ebenfalls mit derselben technischen
Struktur aufbaut.
Die Oberstufe bildet dann die Form mit 42
Bewegungen (Sishierhi Taijiquan) und 48 Bewegungen (Sishibashi Taijiquan).
Diese enthalten dann auch verschiedene Techniken aus den anderen Hauptstilen
des Taijiquan (Chen, Sun, Wu) und werden als Mischformen bezeichnet.
KFSB: Welche Voraussetzungen sollte
ein Schüler der bei Ihnen beginnen möchte mitbringen?
R. Schmude: Die größte Voraussetzung die ein Schüler
mitbringen sollte, ist Motivation etwas lernen zu wollen, Ausdauer und
natürlich Spaß an der Bewegung. Eine schnelle Auffassungs-Gabe
und eine gute Physis sind von Vorteil, jedoch kein muss.
Jeder, der ernsthaft die chinesischen Kampf-
und Bewegungskünste erlernen will, sollte sich aber auch darüber
im Klaren sein, dass sie nicht mal eben nebenbei, wenn er etwas Zeit hat,
erlernt werden können. Die Kampfkunst steckt zwar in uns allen, jedoch
müssen wir bereit sein sie entdecken zu wollen, an ihr zu arbeiten
und sie zu verbessern. Nur wer bereit ist tief zu graben, wird auch reich
belohnt werden!
KFSB: Wie verläuft die Ausbildung an Ihrer Schule?
R. Schmude: Die Ausbildung in der WuYi-Akademie folgt einem mehrstufigen
Ausbildungsprogramm. Das Programm ist so ausgelegt, dass es sich von einfachen
Techniken und Übungen zu komplexeren und schwierigeren Abläufen
steigert.
In der Grundstufe wird die physische Basis
gelegt. Das bedeutet der Körper wird in den Bereichen Kraft, Dehnung/
Flexibilität, körperliche Wahrnehmung und Koordination geschult.
Es werden die Basistechniken und Anfängerformen des traditionellen
Chaquan, sowie einfache und komplexere Selbstverteidigungstechniken vermittelt.
Dann werden die Basistechniken der Waffen und verschiedene Formen unterrichtet.
In der Mittelstufe werden dann komplexere und anspruchsvollere Formen
unterrichtet sowie ein intensiveres Partnertraining im Sparring und der
Selbstverteidigung. Wie schon erwähnt können ab fortgeschrittener
Mittelstufe neben der Hauptausbildung im Chaquan noch weitere Stile (Huaquan,
Fanziquan, Piguaquan) erlernt werden. Diese beinhalten ebenfalls theoretische
Grundlagen, Techniken, Kampfprinzipien und Formen.
In der Oberstufe werden hohe Formen aus dem Faust- und Waffenbereich des
Chaquan und der anderen Stile, sowie komplexere Technikanwendungen und
Freikampf unterrichtet.
In allen Stufen werden verschiedene Techniken zur Steigerung der inneren
Energie (Neigong) und äußeren Kraft trainiert, die dem Schüler
zusätzlich zum normalen physischen Aufbautraining mehr Widerstandskraft
und Energie geben. Ebenfalls in allen drei Stufen wird theoretisches Wissen
zu den Stilen und zur Kampfkunst allgemein vermittelt.
Die Ausbildung umfasst somit physische, technische, theoretische und energetische
Komponenten. Auf den theoretischen Aspekt legen wir sehr viel Wert, da
er für ein tieferes und richtiges Verständnis der chinesischen
Kampfkunst unbedingt notwendig ist.
KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft
das Training?
R. Schmude: Das ist sehr unterschiedlich, die Unterrichtseinheiten
variieren im Stundenplan. Eine Taijiquan- und Qigong-Einheit dauert 60
Minuten. Kindertrainings- und Yoga - Einheiten dauern 90 Minuten. In der
chinesischen. Kampfkunst haben wir Einheiten von 60 Minuten, 90 Minuten
und 120 Minuten.
KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
R. Schmude: Die Häufigkeit des Trainings richtet sich nach
der gebuchten Mitgliedschaft, welche man nach Lust und Geldbeutel zusammenstellen
kann.
Im Segment der chinesischen Kampfkunst kann man wählen zwischen:
1 x wöchentlich Unterricht + freies Training am Samstag,
2 x wöchentlich Unterricht + freies Training am Samstag
oder einer Flatrate.
Das Kindertraining umfasst jeweils 2 x Unterricht pro Woche.
Im Segment Taijiquan kann man zwischen 1 x Unterricht je Woche, 2 x Unterricht
je Woche oder der Flatrate wählen und im Qigong oder Yoga hat man
die Möglichkeit 1 x oder 2 x die Woche zum Unterricht zu kommen.
Außerdem gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, bis
hin zu einer "all inclusive flatrate", bei welcher man so oft
in jeder Sparte teilnehmen kann wie man möchte.
Außerdem ist es möglich in Einzelnen Segmenten 5er und 10er
Karten zu buchen. Änderungen sind natürlich vorbehalten.
KFSB: Spielen in Ihrem Unterricht andere traditionelle Elemente/
Künste wie z.B. Löwentanz eine Rolle?
R. Schmude: Ich bewundere die Künste sehr, insbesondere den
nördlichen Löwentanz, doch leider hatte ich bis heute nicht
das Glück darin ausgebildet zu werden und kann es daher leider auch
nicht unterrichten.
KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
R. Schmude: Die Formen spielen im Unterricht der WuYi-Akademie
eine wichtige Rolle, da sie ein wichtiges Bindeglied auf dem Weg von der
Einzel- oder Basistechnik zur freien Anwendung in einer Kampfsituation
darstellen.
Formen trainieren Stil, Rhythmus, Kraft, Koordination
und den richtigen Fluss der Kraft in der jeweiligen Technik. Außerdem
könnte man die Formen auch als technisches Archiv eines Stils betrachten.
Hier sind alle Techniken gespeichert die ein Stil zu bieten hat, damit
nichts in Vergessenheit gerät und die speziellen Techniken und Besonderheiten
weitergegeben werden.
Jedoch betrachte ich die Formen nie als "imaginären
Kampf" wie es öfters in der Vergangenheit gelehrt wurde. Jede
Technik in der Form muss immer einzeln trainiert werden und frei anwendbar
sein.
KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
R. Schmude: Beintechniken und Tritte sind Hauptbestandteile des
Chaquan. Daher sind sie zwangsweise im Training immer präsent. Unabhängig
davon ist immer der ganze Körper in die Kampfkunst involviert und
es wäre gegen das Grundprinzip der Harmonie, einige Bereiche des
Körpers zu vernachlässigen oder zu bevorzugen.
Gerade im Chaquan wird von Anfang an sehr viel Wert auf die Entwicklung
der Beinkraft gelegt, um einen festen und tiefen Stand zu erreichen, eine
starke Verbindung zum Boden zu erlangen und die Tritte und Sprungtritte
kraftvoll und effektiv ausführen zu können.
Es gibt einige Sprichwörter aus dem Chaquan
dazu, welche auch gern als ein Charakteristikum für die chinesischen
Kampfkünste im Allgemeinen verwand werden: "
die Hände
sind wie zwei Türen die den Gegner öffnen, doch die wahren Schläge
kommen aus den Beinen
" oder "
südliche Fäuste,
nördliche Beine und Shandong Chaquan
" oder "
von Nanjing bis Beijing, das Beste Tantui kommt aus den muslimischen Kreisen
(Chaquan)
"
KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
R. Schmude: Freikampf bedeutet die freie Anwendung der Technik.
Das setzt voraus, dass die Technik auch verstanden, umgesetzt und verinnerlicht
ist und alle moralischen und ethischen Normen im Einklang mit dem Kampfverhalten
stehen. Er ist wichtig, jedoch nicht für Anfänger oder wenig
fortgeschrittene Schüler.
Ich bin durch meine eigene lange Ausbildung und Erfahrung als Trainer
zu der Überzeugung gekommen, dass der Freikampf nur fair und sicher
(auch ohne Schutzausrüstung) sein kann, wenn sich jeder der Kämpfer
über die Konsequenzen bewusst ist und die technischen, mentalen und
moralischen Voraussetzungen mitbringt. Wenn diese Voraussetzungen nicht
vorhanden sind, ist der Risikofaktor für alle einfach zu hoch. Der
Freikampf wird in der WuYi-Akademie nur von fortgeschrittenen Schülern
geübt.
Es gibt jedoch in den früheren Ausbildungsstadien verschiedene Trainingsformen
die den Schüler auf den freien Kampf vorbereiten. Partnerformen,
Partnertechnikanwendung und geschütztes Sparring bilden ein wichtiges
Zwischenglied auf dem Weg zum Freikampf.
KFSB: Wird auf SV-Anwendungen eingegangen?
R. Schmude: Viele der traditionellen Techniken der Stile können
für eine effektive Selbstverteidigung genutzt werden, jedoch sind
auch einige zu kompliziert oder verlangt ein sehr hohes Können, welches
man sich erst über viele Jahre erarbeiten muss. Deshalb legen wir
in dem SV-Unterricht den Schwerpunkt auf einfache und unkomplizierte Techniken
die jeder schnell erfassen und umsetzten kann.
Grundsätzlich sehe ich es so, wenn man das Training der Kampfkunst
aus niederen Gründen als zur Selbstverteidigung, zur Verteidigung
von Hilfebedürftigen und/oder zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
betreibt, dann ist das eine sehr gefährliche und fragliche Angelegenheit,
der wir in unserer Gesellschaft keinen Platz einräumen sollten. Jeder
Lehrer und Meister sollte sich dieser Verantwortung bei der Ausbildung
seiner Schüler bewusst sein. In der WuYi-Akademie gibt es keinen
Platz für Personen die diesen niederen Motiven folgen.
Der Unterricht der Selbstverteidigung ist in erster Linie auf die Vermittlung
des richtigen Flusses der Kraft und der Anwendung der Techniken zur Selbstverteidigung
ausgerichtet. Es werden keine Wunder- oder Allroundtechniken, sondern
vielmehr Prinzipien der technischen Anwendung unterrichtet, die der jeweiligen
Situation flexibel angepasst werden können.
Die verschiedenen Stile, welche in der WuYi-Akademie
unterrichtet werden, bilden einen reichen Fundus an verschiedenen Möglichkeiten
und Methoden, die es dem Schüler möglich machen in der umfassenden
Ausbildung in der Kunst des Kampfes, eine für ihn optimale Selbstverteidigung
zu erlernen.
KFSB: Spielt Akrobatik im Unterricht eine Rolle, muß man
sehr fit und
beweglich sein?
R. Schmude: Das ist so eine Sache, wenn man Sprungtritte als Akrobatik
ansieht, dann ja, sie spielt eine Rolle. Wenn nicht, dann hat sie einen
untergeordneten Stellenwert. Einige Wushu - Formen wie Ditangquan oder
Zuiquan verlangen ein hohes akrobatisches Können, das dann entsprechend
erlernt werden muss. Das Thema Beweglichkeit möchte ich es so formulieren,
wenn man seinen Körper in all seinen Möglichkeiten benutzen
möchte, was in den Kampfkünsten ja eigentlich der Fall ist,
dann sollte man schon sehr fit und beweglich sein. Schon allein um Verletzungen
vorzubeugen.
Jedoch ist es keine Voraussetzung, vielmehr wird die Grundlage für
die erforderliche Fitness und Beweglichkeit im Unterricht vermittelt.
Eigeninitiative zu Hause in Form von regelmäßigem Kraft- und
Stretchingtraining bringt natürlich schnellere Fortschritte und wäre
sehr zu empfehlen.
KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
R. Schmude: Der Wettkampfaspekt spielt regulär im Ausbildungsprogramm
eine nicht ganz so vordergründige Rolle. Es gibt natürlich ein
Team für welches man sich qualifizieren kann, wenn man Interesse
an Wettkämpfen hat. Für dieses Team gibt es extra Unterrichtseinheiten,
in denen es Wettkampfvorbereitung gibt.
KFSB: Gibt es ein Angebot für Kinder?
R. Schmude: Es gibt einen Kinder / Jugend - Unterricht, der sich
an die Altersgruppen zwischen 7-9 und 10 - 13 Jahre richtet. Ab dem 14.
Lebensjahr gilt dann das normale Training.
KFSB: Werden Waffentechniken unterrichtet?
R. Schmude: Alle chinesischen Stile beinhalten die Anwendung von
verschiedenen Waffen. Folgende Waffen des Chaquan - Stils unterrichten
wir: Dao (Säbel), Gun (Stock), Jian (Schwert), Qiang (Speer), Pudao
(kleine Hellebarde), Dadao (große Hellebarde), Shuang Gao (Doppelhakenschwerter),
Lan Ma Jue (doppelter Kurzstock) und Shuang Dao (Doppelsäbel). Darüber
hinaus können noch das Chang Sui Jian (Schwert mit langer Pommel),
Dan Bi Shou (einzelnes Messer), Shuang Bi Shou (Doppelmesser), das Shuang
Shou Jian (Doppelhandschwert) und Zuijian (betrunkenes Schwert) erlernt
werden.
KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
R. Schmude: In der WuYi-Akademie wird ein spezieller Qigong Unterricht
angeboten, deren Hauptinhalt in der Stärkung der Gesundheit liegt.
Ansonsten haben das Chaquan und alle traditionellen Stile die wir in der
WuYi-Akademie unterrichten, ihre sogenannten Neigong- Übungen, die
verschiedene Bereiche wie Energieleitung, Atemtechniken oder auch Kotemplationsübungen
etc. betreffen. Spezielle spirituelle Meditation (buddhistisch oder daoistisch,
etc.) bieten wir nicht an, da wir als Schule keiner spirituellen oder
religiösen Gruppierung angehören.
Wir legen sehr großen Wert auf die Vermittlung von "Wude"
- den kämpferischen Tugenden und auch die Persönlichkeitsentwicklung
steht bei uns stark im Vordergrund.
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