Interview mit Dietmar Jarosch,
Lehrer des Tai Chi Forum Berlin
KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten
Sie?
D.Jarosch: Das Tai Chi Forum Berlin befindet sich in Berlin Kreuzberg.
KFSB: Welchen Tai Ji-Stil unterrichten Sie, und wie würden
Sie diesen Stil charakterisieren?
D.Jarosch: Es wird der Yangstil unterrichtet. Dieser Stil ist grundsätzlich
sehr entspannend und fließend in der Bewegung. Er legt aber großen
Wert auf eine gute Verwurzelung des Standes, die als Basis dient, für
die lockeren und präzisen Armbewegungen.
Dabei achtet man auf das so genannte Fülle und Leere Prinzip, also
das Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung. Dieser Stil vereint
das Yin Yang Prinzip in der Bewegung, weiche und nachgiebige Bewegungen
wechseln sich mit stabilen und standhaften Bewegungen und Stellungen ab.
KFSB: Welche Voraussetzungen sollte ein Schüler der bei Ihnen
beginnen möchte mitbringen?
D.Jarosch: Grundsätzlich ist der Yangstil für Jedermann
gut geeignet. Je Jünger der Übende ist, desto sportlicher kann
das Tai Chi angegangen werden. Je älter, desto mehr steht der meditative
und gesundheitsfördernde Aspekt im Vordergrund.
KFSB: Wie verläuft die Tai Ji-Ausbildung an Ihrer Schule?
D.Jarosch: Zunächst wird die Yangform in ihren drei Teilen
unterrichtet mit allen wesentlichen Aspekten und Prinzipien. Viele Erklärungsmodelle
wie z.B. aus der Biomechanik verhelfen ein grundlegendes Verständnis
von seinem Körper und dessen Möglichkeiten zu erhalten.
Danach beginnen die großen Vertiefungsstufen der gleichen langen
Form. Sie fördern gezielt das innere und äußere Geschick.
Später können dann Partnerübungen, weitere Handformen (auch
dynamische) oder Waffenformen erlernt werden.
KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft
das Training?
D.Jarosch: Die Trainigseinheit beträgt am Anfang 75 Minuten,
später 90 Minuten, mindestens einmal die Woche, zusätzlich kann
der "Freie Übungstermin" genutzt werden. Das Training beginnt
mit den chinesischen yogaähnlichen Bodenübungen, dann Qi Gong
mit formvorbereitenden Vorübungen und die Yangform selbst.
KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
D.Jarosch: Mindestens zwei mal pro Woche kann ein Anfänger
Tai Chi praktizieren, an dem eigentlichen Tai Chi-Kurs und am freien Übungstermin,
allerdings kann er auch an anderen Tai Chi-Kursen mit vergleichbarem Kursniveau
teilnehmen. Fortgeschrittene üben häufig 3 bis 5 mal die Woche.
KFSB: Spielen in Ihrem Unterricht andere traditionelle Elemente/
Künste wie z.B. Löwentanz eine Rolle?
D.Jarosch: Die Yangform wird im Ablauf und der Anwendbarkeit möglichst
traditionell unterrichtet, mit vielen nachvollziehbaren Prinzipien, Anwendungsmöglichkeiten
und einer energetischen Vorstellung die dahinter steckt. Die Unterrichtsdidaktik
verbindet traditionelle Inhalte mit westlicher Sichtweise.
KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
D.Jarosch: Die Tai Chi Form ist die Basis für das Verständnis
der Bewegungsmöglichkeiten die Tai Chi bietet. Sie ist der Beginn
von Tai Chi aber bleibt es nicht ausschließlich.
Die Tai Chi Form bringt uns in Form, als eine Art Bewegungsschablone,
sie hilft aber auch die statischen und energetischen sowie gesundheitlichen
Aspekte besser zu erfahren und einzustudieren. Grundsätzlich ist
die Form nur eine Hilfe und schafft ein grundlegendes Verständnis
für Tai Chi und man fühlt sich gut wenn man sie läuft.
KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
D.Jarosch: Beintechniken spielen eine wesentliche Rolle im Yang
Tai Chi. Dies bezieht sich aber eher auf den sicheren Stand und die gut
verwurzelte und zugleich flexible Beinbewegung.
Dadurch können die Tai Chi Arm- und Rumpftechniken wirkungsvoller
eingesetzt werden. Katzenhaftes Fortbewegen als Basis der lockeren Armführung.
Die Tai Chi Form enthält dennoch Fersentritte, Halbkreistritte und
tiefe Stände.
KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
D.Jarosch: Erst als etwas fortgeschrittener Tai Chi Schüler
lohnt es sich die Partnerübungen über Push Hands und später
über die langen Partnerformen zu erlernen. Nur die Partnerübungen
vertiefen das Verständnis der inneren Selbstverteidigungsmethode
Tai Chi. Das findet dann in den freien Push Hands seine Anwendung.
KFSB: Wird auf SV-Anwendungen eingegangen?
D.Jarosch: Über die Erklärung von Sinn und Zweck der
einzelnen Tai Chi Bilder und über das Partner Tai Chi (Push Hands,
Duilianformen) werden die praktischen Anwendungsmöglichkeiten im
Tai Chi verdeutlicht.
KFSB: Spielt Akrobatik eine Rolle?
D.Jarosch: Als weit fortgeschrittener Tai Chi Künstler ist
die körperliche Fitness von Vorteil, sie ermöglicht eine hohe
Flexibilität und fördert die "animalische" Energie
die hinter den Techniken wirkt, z.B. die Energie des Tiger oder Bären,
sowie des Storches oder der Schlange.
Auch im Partner Tai Chi ist die körperliche Fitness ein Garant für
hohe Flexibilität. Das Feingefühl ist aber eben so wichtig wie
die körperliche Belastbarkeit. Als älterer Tai Chi-Aktivist
wird dieses Feingefühl das Geschick gefördert haben, und der
körperliche Einsatz tritt dann eher zurück.
KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
D.Jarosch: Bundesweit finden immer wieder Tai Chi Push Hand Treffen
statt, um das Können im Vergleich zu erproben.
KFSB: Gibt es ein Angebot für
Kinder?
D.Jarosch: Das Tai Chi Forum Berlin bietet leider keine Tai Chi
Kurse für Kinder an.
KFSB: Werden Waffen unterrichtet?
D.Jarosch: Auch im Tai Chi spielt das Waffentraining eine bedeutende
Rolle. Jede Waffe hat dabei ihre Trainingsherausforderung, wie z.B. das
Tai Chi-Schwert, Säbel oder Stock etc.
KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
D.Jarosch: Die Meditation ist im Tai Chi sehr wichtig, deshalb
wird Tai Chi auch als Bewegungsmeditation umschrieben. Das Streben nach
der Ruhe in der Bewegung. Das garantiert eine entspannte Gemütsverfassung
und eine behutsame und bewusste Ausführung der einzelnen Bewegungsbilder.
Überflüssige Anspannung und innere Unruhe kann hinderlich sein.
Daher steht besonders am Anfang die entspannte meditative Ruhe im Tai
Chi im Vordergrund. Auch sehr weit Fortgeschrittene versuchen, den Überblick
durch die innere Ruhe und Gelassenheit zu behalten, denn hier heraus kann
große Kreativität und Feingespür für die Bewegung
und die Energien entstehen. Je fortgeschrittener ein Tai Chi Übender
ist, desto mehr wird die geistige Vortstellungskraft die Bewegung führen.
|