Interview mit Michael Jagdt, Tai Ji-Lehrer
der Schule für Geist-Energie-Körper Koordination

 

KFSB: In welchem Stadtbezirk unterrichten Sie?
M.Jagdt: Ich unterrichte im Sommer im Schlosspark Charlottenburg und im Winter in Charlottenburg oder Schöneberg.

KFSB: Welchen Tai Ji-Stil unterrichten Sie, und wie würden Sie diesen Stil charakterisieren?
M.Jagdt: Ich unterichte Tai Ji im Yang-Stil nach Methoden von Patrick Kelly, dem einzigen westlichen Schüler von Huang Sheng Shyen. Das Ziel dessen, was ich unterrichte, ist eine vertiefte Koordination von Körper, Energie und Geist auf der Basis einer stetigen Entwicklung von vertiefter Wahrnehmung und verfeinerter Intention.

Das Ergebnis dieser vertieften Koordination ist eine innere Kraft, die auch unter Belastung entspannt und elastisch bleibt. Tai Ji ist eine innere Kunst. Äussere Aspekte wie Stil (der Charakter der äusseren Bewegung) sind dabei weniger charakteristisch als die inneren Aspekte der Bewegung, d.h. die Art wie die Bewegung innerlich erzeugt wird.

KFSB: Welche Voraussetzungen sollte ein Schüler der bei Ihnen beginnen möchte mitbringen?
M.Jagdt: Die inneren Aspekte von Tai Ji sind in jedem vorhanden, aber sie sind zu fein und die normale Wahrnehmung ist zu grob, als dass man sie beobachten - geschweige denn nutzen - kann. Die Voraussetzungen für einen Schüler beziehen sich daher auch eher auf die innere Haltung als auf sichtbare Aspekte wie Alter, Geschlecht, Sportlichkeit oder andere Vorkenntnisse und Erfahrungen.

Insofern benötigt ein echter Schüler einen nachhaltigen Drang sich selbst besser verstehen zu wollen und die Ausdauer, dieses Ziel langfristig durch intensives Bemühen auch über Widerstände hinweg zu verfolgen. Die ersten Widerstände treten in der Regel bereits auf, wenn ein Schüler versucht auf Dauer eine halbe bis ganze Stunde selbständiges Training in den Tagesablauf einzugliedern...

KFSB: Wie verläuft die Tai Ji-Ausbildung an Ihrer Schule?
M.Jagdt: Den Anfang der Ausbildung bildet das Erlernen eines begrenzten Sets an Bewegungsfolgen: 5 Lockerungsübungen nach Huang Sheng Shyen, Yang-Kurzform nach Cheng Man-Ching und Feste Partnerübungen (Fixed Pattern Push-Hands). Das Erlernen dieser Bewegungsfolgen dauert je nach persönlichem Einsatz des Schülers ein bis zwei Jahre.

Von Beginn an wird neben den reinen Bewegungsfolgen auch eine Veränderung in der Art wie man sich bewegt angestrebt bzw. unterwiesen. Nach zwei Jahren wird die Lang-Form nach Yang Cheng-Fu unterrichtet und der Fokus wechselt auf die Veränderung der inneren Zustände in Muskeln, Gelenken sowie Druck unter den Fußsohlen. Nach zwei weiteren Jahren wird die White Crane Quick Fist (Schnelle Form) unterrichtet mit dem Schwerpunkt auf dem Druck im Zentrum. Mit der Veränderung des Fokusses der Wahrnehmung geht eine Veränderung des Trainings der Intention von der geraden Linie über die Kurve bis hin zur Sphäre einher.

KFSB: Wie lang ist eine Trainingseinheit und wie verläuft das Training?
M.Jagdt: Eine Trainingseinheit dauert 1,5 bis 2 Stunden. Der Unterricht gliedert sich grob in 3 Blöcke:

a) Vorbereitende Lockerungsübungen (Steigen und Sinken, 5 Lockerungsübungen nach Huang Sheng Shyen) die im Rahmen von vereinfachten Bewegungsmustern mit hohen Wiederholraten die Einführung und Vertiefung grundlegender Übungsprinzipien ermöglichen.

b) Yang-Stil-Kurzform nach Cheng Man-Ching zur Entwicklung einer elastischen inneren Kraft sowie

c) feste Partnerübungen (Push-Hands), die einerseits das Verständnis für die Notwendigkeit und Art des Formtrainings verdeutlichen sowie darüber hinaus das Feingefühl im Kontakt mit Partner vertiefen.

KFSB: Wie oft kann man in Ihrer Schule trainieren?
M.Jagdt: Zur Zeit ist nur ein Trainingsangebot an einem Tag in der Woche möglich. Innerhalb dieser Trainingseinheit werden allerdings mehr als ausreichend Ansatzmöglichkeiten für das selbständige Training an den übrigen Wochentagen aufgezeigt.

KFSB: Welchen Stellenwert besitzen Formen in Ihrem Unterricht?
M.Jagdt: Durch die Form wird innere Stärke entwickelt, das Training mit einem Partner fördert das Feingefühl und das Gespür für Timing. Die Formarbeit enthält jedoch alles, was wichtig ist. Die Qualität der Partnerarbeit ist allein von der Qualität der Form abhängig und kann nicht durch intensiveres Partnertraining kompensiert werden.

Es ist allerdings nicht sinnvoll zu viele Formen zu erlernen, da - wie bereits anderswo erläutert - vorrangig nicht neue Bewegungsfolgen sondern eine neue Art und Weise sich zu bewegen unterrichtet wird.

KFSB: Welche Rolle spielen Beintechniken in Ihrem Training?
M.Jagdt: Beintechniken spielen keine Rolle.

KFSB: Welche Rolle spielt der Freikampf?
M.Jagdt: Freikampf spielt keine Rolle.

KFSB: Wird auf SV-Anwendungen eingegangen?
M.Jagdt: Nein. Es wird angestrebt, durch die Tai Ji Form innere Kraft und durch Push-Hands Feingefühl zu entwickeln. Äußerlich entspannt zu sein, derweil man innerlich stark ist, gibt einem die Möglichkeit, Druck ohne Konflikt aufzulösen.

Durch den Aufbau innerer Harmonie und Kraft, zusammen mit physischer Entspannung und der Philosophie des Nachgebens, kommt man allmählich an jenen Punkt, wo die Verteidigung des Selbst im täglichen Leben nicht länger irgendeinem Zweck dient.

KFSB: Finden auch Wettkämpfe statt?
M.Jagdt: Nein.

KFSB: Gibt es ein Angebot für Kinder?
M.Jagdt: Nein.

KFSB: Werden Waffen unterrichtet?
M.Jagdt: Nein.

KFSB: Spielt geistige Übung (z.B. Meditation) eine Rolle?
M.Jagdt: Eine häufig verwendete Kurzbeschreibung von Tai Ji lautet: Meditation in Bewegung. Für einen Anfänger besteht das Hauptaugenmerk auf dem Erlernen der neuen Bewegungen in den Lockerungsübungen, der Form und den Partnerübungen. Insofern kann man sagen, dass das Training von ihm zu neunzig Prozent körperlich und nur zu zehn Prozent geistig ausgeführt wird.

Im Laufe des Trainingsprozesses von mehreren Jahren soll dieses Verhältnis umgekehrt werden. Das bedeutet für den Trainingsprozess, dass er sich im Laufe des Fortschritts des Schülers weniger auf die Qualität der Bewegung des Körpers als auf die Qualität der geistigen Koordination ausrichtet.